Reisebericht 2009
von Holger Liermann und Linda Hara
Die Reise nach Sambia ist mit zahlreichen Umstiegen versehen und zeitlich sehr aufwendig. Wir flogen von Berlin nach Amsterdam, dann Nairobi, Lilongwe (Malawi) nach Lusaka. Was soll's - nach rund 22 Stunden ist das Ziel erreicht. Die Haupstadt liegt auf einem Hochplateau (1200 m) - es ist zur Zeit der Reise (April) kurz nach Ende der Regenzeit und alles erstrahlt in einem unglaublichen Grün, was man hier in diesen Breiten am wenigsten erwartet hätte.
Übernachtung bei Freunden Linda's, die bereits ins Dorf ihrer Eltern (und ihrer Kindheit) vorausgereist ist. Am nächsten Morgen steige ich um 6:30 in einen klapprigen Bus Richtung Chipata (Ostsambia, 600 km entfernt), der auch bald (nämlich gegen 10 Uhr, als nämlich der letzte Sitzplatz vergeben ist) abfährt. Die Stunden vorher ziehen sich trotz der fliegenden Händler, die durch den Bus kommen und alles von Armbanduhr, Schuhen, Sonnenbrillen ... verkaufen, etwas in die Länge. Afrika. Geduld mit bringen. Die Leute sind wenig aufgeregt, auffällig ohnehin das viele Lachen und die freundlichen Gesichter trotz der unübersehbaren Armut. Und die vielen, vielen Kinder - die eigentliche Reichtum Sambia's. Die Einwohnerzahlt von 13 Mio, die man in Reisebüchern findet , ist eine grobe Schätzung, die wahre Zahl wird viel höher liegen. Immer noch ist die Lebenserwartung unter 40 Jahren. Haupttodesursache : Malaria und AIDS.
Nachdem der letzte Händler aus dem Bus raus ist, erscheint - zwar im etwas verschlissenen Anzug, aber durchaus würdevoll - der Prediger, der den Bus samt darin befindlicher Menschen segnet und toi,toi,toi wünscht , um sich danach nach eingezogener Kollekte zu verabschieden.
Der Fahrer legt ein höllisches Tempo vor, ohne Rücksicht auf potholes (Schlaglöcher) und die zahlreichen Fußgänger am Straßenrand . Kurz vor Chipata beginnt der Fahrer, einzelne Fahrgäste quasi vor deren Tür abzusetzen , so dass wir erst im Dunklen eintreffen. Reine Fahrzeit 9 Stunden. Linda und viele Nichten und Neffen holen mich am Busbahnhof in Chipata (300.000 Einwohner) ab und wir glangen mit verschiedenen Taxis über staubige und sehr schlechte Straßen ins Dorf. Genauer gesagt auf die Kandami-Farm, die Mr Hara, der Vater von Linda und ihren 13 Geschwistern, in der 50er Jahren gekauft, bzw. vom lokalen Chief (Häuptling) bekommen hat. Das Land in diesen abgelegenen Gegenden kann man nämlich von Niemandem kaufen, es wird einem vom Chief zugewiesen, der dafür natürlich auch „etwas" nimmt. Mittlerweile leben 4 Generationen und insgesamt rund 100 Menschen in Kandami, das ein Dorf überwiegend aus Lehnhütten und einigen gemauerten Häusern ist. Obwohl von den 13 Kindern nur noch eines im Dorf lebt, die anderen überwiegend in Lusaka und Kitwe. Gewöhnungsbedürftig sind die frei im Dorf herumlaufenden Ziegen und Schweine, Hühner, Hunde und Katzen (Motto : Ferien auf dem Bauernhof) - die Nichtexistenz von Strom , Wasser wird aus dem Ziehbrunnen geholt, Toilette ist ein Latrinenhäuschen. Klingt alles sehr schlimm, man kann sich aber sehr schnell daran gewöhnen. Und eigentlich geht es den Leuten hier trotz Fehlens von Luxusgütern sehr gut, jeder kennt jeden, es ist eine große Familie . Sehr wohltuend, dass man sich hier als einziger Weißer anerkannt fühlt . Man begegnet sich gegenseitig mit dem gebührenden Respekt und viel Offenheit und Freundlichkeit.
Schade, dass dem Gast auch Respekt dargeboten wird durch Schlachten verschiedener Tiere , bis hin zu einer ausgewachsenen Kuh ! Aber letztlich haben alle was davon und es ist über Tage ein köstliches Essen für alle da.
Wir besuchen die Nyongo Grundschule, in die die Kinder zT von weit her - überwiegend zu Fuß - kommen. Sie ist 15 Minuten weg von Kandami und liegt nun wirklich schon im „Busch" , weit weg von der Straße. Es ist eine Grundschule von Klasse 1 bis 9, insgesamt dürften 600 Schüler hierher gehen, ein sehr großer Teil der Kinder besucht die Schule aber nicht. ZT weil auf den Feldern (Mais, Erdnüsse, Baumwolle, Kartoffeln, Gemüse, Tabak ..) gearbeitet werden muss, zT auch einfach deswegen, weil die Eltern kein Geld für Schuluniformen haben. Diese kosten für Mädchen 20.000 Kwacha (3 Euro) und für Jungs 25.000 (4 Euro). Das Schulgebäude ist sehr heruntergekommen. Es gibt keine Fenster und Türen. Da nur 2 Klassenzimmer vorhanden sind, sind die Räume sehr überbelegt und der Unterricht läuft geteilt - ein Teil der Schüler kommt morgens , ein Teil nachmittags. Immerhin hat die Schule 5 Lehrer und einen Direktor (Edward Nyangulu). Neben diesem schlimmen Gebäude ist ein Neubau angefangen worden , Fundament und ´Seitenwände bis Deckenhöhe stehen. Lauf Auskunft der Lehrer ist kein Geld da und auch keines absehbar, um den Bau fortzusetzen. Fertigteile aus Holz für die Dachkonstruktion liegen bereit.
Linda, die selbst diese Grundschule besucht hat, wird in ihrem schon lange gehegten Plan, diese Schule zu unterstützen bestärkt und erste konkrete Gedanken zur Gründung eines Vereines entstehen, der diese Aufgaben wahrnehmen soll. Ein besonderes Ziel soll es sein, einzelnen Schülern, die weiterführende Schule zur finanzieren (Boarding school). Und zwar solchen, die einen unbedingten Willen haben, weiter zu machen , denen aber die Möglichkeiten fehlen, zB den leider auch hier zahlreich anzutreffenden Waisen oder Halbwaisen, deren Eltern in den meisten Fällen an AIDS verstarben.
Wir sagen den Lehrern zu, in Berlin einen entsprechenden Freundeskreis ins Leben zu rufen.
Weitere Punkte meiner Reise - unglaublich , dass man so viel in 2 Wochen unternehmen kann - sind eine Reise in den Luangwa South Ntl. Park mit Safaris , eine 2-TagesReise an den Malawi-See und einige Tage in Livingstone mit Besichtigung der Victoria-Fälle und Überfliegen derselben mit dem Helicopter. Ein unvergessliches Erlebnis !
Man kann nur jedem, der das wahre Afrika besuchen will, vielfältigste Natur, Tierwelt mit großem Reichtum und sehr sehr freundliche und aufgeschlossene Manschen treffen will, eine Reise nach Sambia empfehlen. Unterkünfte in Lodges sind bezahlbar und haben einen ordentlichen Standard - evtl. von Dtld. aus buchen via Internet. Das Land ist noch relativ wenig vom Tourismus erschlossen, befindet sich aber in den Bereichen Wirtschaft und Tourismus in einem eindeutigen Aufwärtstrend.
Holger Liermann